Fibromylagie

Sibylle Schaudt
Log-Buch meiner Reise zur Genesung.

Zum Reisebeginn Mai 2008 bin ich – nach einer halbjährigen medikamentösen Therapie -völlig erschöpft, antriebslos, schwach, leide unter Schlafstörungen und mein Gelenke, Muskeln und Bindegewebe schmerzen. Morgens erwache ich, bin völlig steif. Ich habe das Gefühl, dass dieses schmerzende Bindegewebe meine Muskeln einschließt und gleichzeitig ein übermäßiger Muskelkater ein Dauergast in meinem Körper ist, obwohl ich mich kaum noch bewege. Ob ich beispielsweise die Spülmaschine ausräume oder nicht ist ein ernsthafter innerer Kampf mit mir Selbst. Mein Kopf nebst Inhalt ist dumpf. Ich stehe weder in mir noch neben mir. Wo bin ich eigentlich? Eins ist klar, so kann und will ich nicht mehr weiterleben. Gebe ich mich auf oder dem was und wie es ist hin oder nicht? Ich entscheide mich für das NICHT. Die Koordinatensuche im Internet beginnt. Ich bin getrieben von dem Wunsch bzw. der fixen Idee in meiner Ganzheit als Organismus, Wesen und Mensch betrachtet zu werden. Ich kann keine Weißkittel mehr sehen, die mir nicht wirklich zuhören.

Anfang Juni 2008 entdecke ich die Klinik am Steigerwald. Ich hoffe und ahne, dass das der mir entsprechende Ort ist. Was heißt entsprechend? Ich spreche, die Ärzte hören mir lange, genau und abwartend zu, weil sie keine vorgefertigten unverrückbaren Konzepte für ein bestimmtes Symptom oder Krankheitsbild haben, in dessen Schublade ich womöglich wieder nicht in meiner Gesamtheit hineinpasse. Das bringt dann auch keine - für mich - passgenaue Lösung. Oder tragen Sie etwa gerne Kleider, in die sie nur zur Hälfte hineinpassen? Eine tiefgehende Kommunikation schafft Vertrauen: Das heißt also ich traue mich etwas – nämlich der Kapitän und Navigator meines Schiffes zu sein. Und die Ärzte trauen sich etwas, nämlich mich zu begleiten (Reisebegleitung), ohne mich meines Kapitänspatentes allmählich oder sofort zu entheben. So entsteht Vertrauen, denn die Grenzen und Verantwortungsbereiche sind klar.

22 Juli 2008 Ankunft in der Klinik am Steigerwald. Ich bin zunächst sehr aufgeregt beruhige mich jedoch sehr schnell, weil hier läuft niemand in einem Arztkittel herum. Ich habe keine Lust mehr als krank und hilflos definiert zu werden. Ich suche Reiselotsen- und -Begleiter, die mir "helfen" mein Schiff wieder flott zu machen, damit ich heil aus diesem Gewässer von Krankheit herauskomme oder damit gemütlich weiter durchs Leben schippern kann - ohne mein Schiff aufgeben zu müssen.

Los geht’s:

Meine Erwartungen bezgl. der Haltung (siehe oben) was Krankheit und Gesundheit (Salutogenese) und dem Arzt-Patientenverhältnis angehen, werden voll erfüllt. Die Reiselotsen und -Begleiter, d. h. alle Menschen, die in dieser Klinik arbeiten, betreten mein Schiff und wollen es erst einmal gründlich kennenlernen. Sie passen auf, dass sich niemand zu vorschnell eine Meinung bildet. Sie stellen präzise, vielschichtige, weitreichende und umfassende Fragen. Ich kann alles aber auch alles sagen, meine Meinung und Vermutungen äußern usw., niemand behauptet, das würde zu viel Zeit kosten oder nicht zum Thema passen.

In der ersten Woche lernen wir uns kennen, d. h. es gibt keine Lösung und keine Endgültigkeit. Die Ärzte u. Therapeuten probieren aus, ich gebe Feed-Back in Form von Gefühlen, geistigen Auswüchsen, Bedenken, körperlichen Beschreibungen etc.. Ich muss aufpassen nicht ungeduldig zu werden oder zu fordernd. Wir probieren verschiedene chinesische Kräutermischungen (Dekokte) aus.

Zweite Woche

Wir haben gemeinsam eine Orientierung gefunden. Die Reiselotsen u. Begleiter teilen mir mit, dass das Schiff zuerst von Grund auf überholt werden sollte bevor es wieder in See sticht. Das wusste ich ja schon. Schmunzel. Dies würde erst einmal anstrengend und unangenehm werden. Der Vorteil der ausleitenden Kräutermedizin wäre, dass die zukünftigen Manöver dann weiter und besser seien. Ich werde noch schlapper und müder, die Beine sind wie Blei, usw. Jetzt helfen die genialen Körpertherapeuten und Anwendungen wie Akupunktur und Vorträge diese arbeitsreiche Zeit zu überstehen und Konditionslücken zu überbrücken. Das Tempo und die Intensität "dieser Aktion" bestimme ich mit, schließlich bin ich der Kapitän dieses Schiffes. Einmal wöchentlich sitzen alle Stationsärzte/Innen und ein/e Vertreter/in der Pflege mit mir am Tisch, um die aktuelle Lage zu resumieren und das weitere Vorgehen mit möglichst vielen Augen, Ohren und Gehirnen kritisch zu beleuchten. Es geht ja um Entsprechung und nicht um Schubladen.

Dritte Woche

Erste Fahrversuche in einem neuen Gewässer (z. B. im Qi Gong).

Langsam merke ich, dass mein Schiff wieder viel leichter und schneller Fahrt aufnehmen kann, dass die Entrümpelung des Schiffes Erfolge ahnen lässt und die von den Ärzten und Therapeuten gemeinsam ausgearbeitete Reiseroute eine mir entsprechende ist. Die (Reise)Lust und die Neugierde steigen. Langsam regen sich Lebensgeister in mir. Ich folge den Ratschlägen gerne, das Vertrauen ist zunehmend gewachsen und restliche Kommunikationsschranken- oder Hemmungen lösen sich auf. Wir sind zu einem genialen Team zusammengewachsen. Ich lerne als Kapitän täglich dazu, entdecke neue Gewässer und bin erstaunt, wie und wo ich mit so einem angeschlagenen Schiff überall herumfahren kann. Ich lerne die Möglichkeiten und Grenzen meines Schiffes immer besser kennen, was mich als Kapitän enorm stolz macht, mir Sicherheit und Zuversicht gibt, irgendwann auch ohne Reiselotsen (mit meinem eigenen und eigenartigen Schiff) wieder losziehen zu können.

Der Weg dorthin erfordert Geduld und eine gewisse Langsamkeit und bedächtigkeit. In diesem Wort steckt Bedacht.

Ende August 2008 werde ich entlassen und nach ca. einem weiteren Jahr ambulanter Behandlung (ca. alle 3 Monate einen ankernden und unterstützenden Steigerwaldbesuch) bin ich mit meinem Schiff, meinen Manövrierfähigkeiten und Reisplanungen sehr sehr zufrieden.

Was ist mir geblieben?

Meine Verbundenheit und tiefe Dankbarkeit zu allen Menschen der Klinik am Steigerwald. Die Erfahrung der Selbstermächtigung.Eine Ressourcen-lösungsorientierte Lebenshaltung, Laotze, Taoismus, eine Ausbildung im A.K.T als Folge meiner Erfahrungen im Qi Gong Dancing.

UND

"Es gibt niemanden, der DICH besser kennt als du.

Den anderen zu achten heißt immer auch, ihn in seinem selbst gewählten Sein zu unterstützen."
(aus: Forum für Bildung und Bewegung A.K.T)

"Achtsamkeit: Strebt nichts an. Sie sieht einfach was da ist."
Ich wünsche allerseits eine gute Reise, was immer gut auch für jeden Einzelnen bedeuten mag.

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